Sonntag, 8. Januar 2012

Literarische Guggenmusik

"Ich lese gerade einen Krimi von Klüpfel und Kobr", sagt ein Hörer im Radio. "Das ist ein wirklich guter Krimi."

NEIN! Schon lange frage ich mich, was das Wort "gut" im Zusammenhang mit einem Buch eigentlich bedeutet. Es muss irgendwas treffen, zu dem der Leser JA sagt. Das ist meine Welt. Das sind meine Probleme. Bücher - so glauben die meisten - müssten Antworten liefern für momentane Stimmungen oder Fragen. Oder die Probleme ansprechen, die man selbst für wichtig hält. Oder nicht so ernst sein, zum Lachen bringen. Dann sind sie gut. Ja, ja, Guggenmusik ist auf ihre Art auch eine Kunst. Allerdings keine hohe.

GUT ist aber was anderes. Denn eigentlich sind Bücher Kunstwerke. Sie stehen in einer Tradition der Kunst des Schreibens und Erzählens. Sie bestehen aus Sprache, aus Worten und Sätzen. Dass sie beschreiben, eine Handlung vorantreiben und erklären, ist nur ein Nebeneffekt. Handlung hält den Leser bei der Stange, damit ich währenddessen spielen kann mit Worten und Sätzen, mit Nebenbedeutungen und Klängen. Mit ihnen schaffe ich Rhythmus, Tempo, Harmonie oder Disharmonie. Bücher sind eine Komposition aus Worten und Sätzen, aus Absätzen und Kapiteln. Aus den Tönen - den Worten - entwickelt sich die Geschichte, und so manche Geschichte wäre nie entstanden, wenn ich am Anfang nicht ein bestimmtes Wort hingeschrieben hätte, das die Welt des Buchs erst geöffnet hat. Ein Komponist muss die Regeln kennen, dann beherrschen. Ein Texter auch. Sonst kommt Guggenmusik heraus.