Sonntag, 2. Dezember 2012

Der Literaturpreis ist männlich - die Jury nicht

Stuttgarter Buchwochen 2012, Deutscher Buchpreis
Ich habe eine ernste Frage an den Literaturbetrieb:
Brauchen wir eine Frauenquote?

Auf den Stuttgarter Buchwochen werden heuer liebevoll in einem Regal die knapp 140 Bücher präsentiert, die 2012 prämiert wurden. Man staunt, wie viele Literaturpreise es in Deutschland gibt. Erschreckend dabei:

Von den 139 Büchern wurden nur 18 von Frauen verfasst. Das sind gerade mal knapp 13 Prozent.

Selbst wenn ich mich wahrscheinlich um ein oder zwei verzählt und verrechnet habe, ist das bestürzend.

Ein zweites Regal präsentiert die Longlist des Deutschen Buchpreises 2012. Ich zähle 12 Männer und 6 Frauen. Auf die Shortlist haben es 5 Männer und 1 Frau geschafft. Die eine Frau -  Ursula Krechel - hat dann den mit 25.000 Euro dotierten Preis erhalten.  Im Jahr davor bekam den 1. Preis Eugen Ruhe. Doch die Bilanz sieht zunächst ganz gut aus: Seit 2005, seitdem es den Preis gibt, haben 5 Frauen und 3 Männer den 1 Platz gemacht. Anders sieht es jedoch auf den Short-Listen aus. Wer dort steht, hat immerhin 2.500 Euro bekommen. Es waren 34 Autoren und 14 Autorinnen (29 %). Und ich wette, im kommenden Jahr bekommt den Preis wieder ein Mann, damit es paritätisch wird.

Der mit 5.000 Euro dotierte Friedrich-Glauser-Preis der Krimivereinigung Syndikat ist seit 1987 sechsundzwanzig Mal verliehen worden, und zwar an 20 Männer und 6 Frauen (23%). Und das obgleich im Syndikat inzwischen weibliche und männliche Autor/innen in gleicher Zahl vertreten sind. Den in Baden-Württemberg wichtigen Thaddäus-Troll-Preis haben 23 Männer und 9 Frauen (28%) bekommen, wobei die meisten Frauen in den letzten Jahren bedacht wurden. Der Preis ist 10.000 Euro dotiert. Und, wen wundert es, in 111 Jahren Geschichte des Literaturnobelpreises, haben ihn nur 11 Frauen bekommen (9%). Wobei man den Juroren zugute halten muss, dass man ja noch bis in die 80er Jahre des 20. Jahrhunderts hinein nicht wusste, dass Frauen nicht nur Geliebte von Schriftstellern sind und nur in Ausnahmefällen für ihre Opferrolle Worte finden, für die man sie bewundert und in Kultursendungen in Funk und Fernsehen nachwievor das "die" vor ihrem Nachnamen stelzt.

Wir Frauen sind noch immer ein Sonderfall des Kulturgedankens. 

Machen wir uns auch nichts vor. Prämiert werden nicht die nach objektivierbaren literarischen Kriterien als beste beurteilten Bücher. Preisvergaben sind eine Mischung aus Bauchgefühl, Bildungsbürgertum und Rückgriff aufs Bewährte. Manche Jury muss sich auch selbst aufwerten, indem sie namhafte Schriftsteller (seltener Schriftstellerinnen) bedenkt. Und wie viele Jurorinnen und Juroren sind sich wirklich ihrer Sache sicher? 

Warum finden auch Frauen Bücher interessanter, die von Männer geschrieben wurden? Das möchte ich gern wissen. 
 
Die schlechte Frauenquote bei Literaturpreisen kann nicht daher kommen, dass wir Frauen schlechtere Bücher schreiben als Männer. Es kann auch nicht daran liegen, dass es weniger Frauen als Männer gäbe, die schreiben und veröffentlichen. Genauso wenig kann es daher kommen, dass die Jurys heute noch von Männern dominiert wären, wenn auch die Literaturkritik in den Feuilletons von Männern beherrscht wird. Es gibt viele Frauen, die mittlerweile in Jurys sitzen (Buchhändlerinnen, Bibliothekarinnen, Fördervereinsvorsitzende, Autorinnen, Journalistinnen). Es dürfte inzwischen sogar etliche Jurys geben, in denen die Frauen die Abstimmungsmehrheit haben. Woran liegt es aber dann, dass der Literaturpreis in Deutschland männlich ist? 

Ich bitte um eine Erklärung.