Mittwoch, 9. Januar 2013

Die Schwierigkeit, über Geister zu schreiben

So titelt der Psychologe, Soziologe und Rezeptionswissenschaftler am IGPP in Freiburg, Dr. Gerhard Mayer seinen Aufsatz für die Zeitschrift für Anomalistik, in dem er sich auch der Totensteige widmet.

"Es ist nicht ungewöhnlich, dass sich die ‚schöne‘ Literatur außergewöhnlicher Erfahrungen und parapsychologischer Phänomene bedient, um sie als besondere Würze in den Plot einzubauen", beginnt Mayer seine Analyse, die mit dem Hinweise endet: "Ein wichtiger Aspekt ist die schon erwähnte Medienkritik, die mit dem Fortgang der Lektüre zunehmend in den Mittelpunkt rückt. Es geht um die Logik der Massenmedien und die von ihr erzeugten ‚spukhaften‘ Realitäten, die trotz fehlender faktischer Fundierung in höchstem Grade wirkmächtig und faktengenerierend werden."

Literatur lebt von Rissen und Brüchen im Alltäglichen und von Grenzsituationen, fährt Mayer fort: "Außergewöhnliche paranormale Erfahrungen werden zumeist ebenfalls als in ähnlicher Weise den Alltagsrahmen sprengend und existenziell bedeutsam erlebt. Mit der Möglichkeit des bislang nicht hinreichend Erklärbaren und Deutungsoffenen erfährt die Welt eine (Wieder-)Verzauberung, auf die manche Autorin und mancher Autor nicht verzichten möchte. Dass allerdings parapsychologische Forschung zentral in den Fokus einer Romanhandlung rückt, kommt selten vor. Wenn dies so explizit geschieht wie in dem Kriminalroman Totensteige von Christine Lehmann, dann darf ihm in einer inhaltlich so breit und interdisziplinär angelegten wissenschaftlichen Fachzeitschrift wie der Zeitschrift für Anomalistik durchaus etwas Aufmerksamkeit geschenkt werden."

Mayer konstatiert, es gebe kaum einen prominenten Bereich der Anomalistik, der im Lauf des Krimis nicht zumindest kurz erwähnt wird, und er identifiziert auch das, was ich nur andeute. Seine Aufzählung ist in einer Rezension einmalig und beeindruckend:

"Dabei werden manche Dinge unverhüllt und direkt genannt, andere leicht verschleiert oder verändert – je nachdem, welch große Bedeutung sie für den Plot haben. Man erfährt unter anderem über die Spukuntersuchungen zum „Chopper“-Fall, über ‚Reinkarnationsfälle‘ (Reincarnation Type Cases) in der Türkei, das „Project Stargate“, die „Gesichter von Bélmez“, das sowjetische PK-Medium Nina Kulagina, den ‚Löffelbieger‘ Uri Geller, Experimente mit Wünschelruten, über PK-Experimente mit der „Schmidt-Maschine“, den Decline-Effekt, die Rolle der Statistik für die parapsychologische Forschung, den „Voodoo- Tod“ (psychogener Tod), den Vampir-Mythos, über außergewöhnliche Tierwahrnehmung, die jüngsten Prä- bzw. Retrokognitionsexperimente von Daryl Bem samt gescheiterten Replikationsversuchen, PK-Sittergroup-Experimente nach der Methode von Batcheldor sowie über den Einsatz des holländischen Hellsehers Gérard Croiset bei der Fahndung nach den Entführern von Hanns Martin Schleyer im Jahr 1977 in Kooperation mit dem IGPP in Freiburg. Der vom Skeptiker James Randi ausgeschriebene Preis von 1.000.000 Dollar für den Nachweis einer Anomalie, die einer wissenschaftlichen Prüfung zweifelsfrei standhält, wird leicht abgeändert in einen 1.000.000-Euro-Preis für den gleichen Nachweis, aber mit anderem Ziel und Stifter."

Mayer befindet, es sei mir sogar gelungen, das nicht ganz einfache Modell der Pragmatischen Information von Walter von Lucadou  "ganz griffig" darzustellen. Ob die lexikalische Sammlung zum Thema Psi allerdings dem Krimi so gut tut, zieht Mayer in Zweifel, wobei er mir jedoch "insgesamt eine ordentliche Recherchetätigkeit" bescheinigt und konstatiert: 

"Der Leser bekommt einen verständlichen Eindruck von manchen Problemlagen einzelner Teilgebiete parapsychologischer Forschung vermittelt, soweit dies im Rahmen eines solchen Buches möglich ist."

Herzlichen Dank an Dr. Gerhard Mayer für seine Würdigung meiner Arbeit.