Montag, 3. Juni 2024

Lisa Nerz im Irrgarten der Fabulierlust.

Zwei neue Rezensionen zu "Alles nicht echt" sind mir untergekommen. Sie vermissen die klassische Krimihandlung und die gewohnte Dramaturgie des Krimis. 

Das kann ich gut verstehen. Denn bei mir ist diesmal die Whodunnit-Recherche ein Randthema in einer Welt, die sich Lisa Nerz als eine ungeheuer kreativ ausfabulierte Welt darstellt: Alle erzählen ihre Geschichten und alle Geschichten unterwerfen die Wirklichkeit einer narrativen Verzerrung, auch diejenigen - etwa in einer ernsthaften Nachrichtenredaktion -, die sich bemühen, die Welt objektiv darzustellen. Lisa Nerz sucht die Wahrheit in einem Irrgarten der allzumenschlichen Fabulierkunst, mit der wir alle unsere Wirklichkeiten unkenntlich machen. Eine kopflose Leiche ist da eine Realität, die man nicht umdeuten kann. Doch die übliche Krimidramaturgie würde die Lösung des Falls verhindern - nämlich fantastisch und dramatisch machen-, deshalb löst Lisa Nerz ihn anders. 

Franz Rumpel schreibt am Schluss seiner durchaus positiven Rezension im Culturmag: "Das ist alles, auch bei mäßig funktionierender Rahmenhandlung, wieder mal erfrischend klarsichtig, klug, aktuell, widerborstig und mit Gewinn zu lesen."

Und kyr schreibt im Büchermagazin Juni (noch nicht online zu lesen) weniger begeistert, aber auch nicht gänzlich unzufrieden: "Wortreicher Erklärkrimi, in dem die Handlung zur kleinteiligen Nebensache gerät."